3. Eresinger Künstlertreff “Vis-à-vis” 2009
Der Hintergrund als Vordergrund – die Faszination des Details
18. – 26. Juli 2009, Atelier “Vis-à-vis”, Kirchstr. 4, 86922 Eresing
Die ungewöhnliche Ausstellungsreihe “Vis-à-vis” findet im Sommer in Eresing nur für die Dauer einer Woche, statt. Die Künstler vor Ort – Alexander Ewgraf, Tobias Krug und Karl Witti – laden Künstler, die schon ein Stück Kunstgeschichte repräsentieren, zu einem gemeinsamen Projekt ein. Letztes Jahr waren zu Gast Robert Motherwell, Sigmar Polke und Bernd Zimmer.
Dieses Jahr geht die “Einladung” an Altmeister Albrecht Dürer, sowie zwei einflussreiche Künstler der Gegenwart, den Avantgardisten Eberhard Havekost und den mehrmaligen Documenta-Teilnehmer A.R. Penck. Aus den Kupferstichen Dürers werden Details aus dem Hintergrund stark vergrößert und nach individuellen Bezugssystemen den Werken der 5 Künstler gegenübergestellt. Der besondere Reiz für den Besucher besteht darin, Gegensätze und Wahlverwandtschaften zu entdecken, und, durch seine Neugier auf Vertrautes, sich spielerisch mit Werken der Gegenwartskunst auseinanderzusetzen.
Die Ausstellung wird durch unkonventionelle Führungen ergänzt, bei denen mit aktiver Beteiligung der Besucher Bilder und Objekte neu geordnet werden, um einen Einblick in die kuratorische Arbeit zu vermitteln und für die Kunst zu sensibilisieren.
Führungen:
Sonntag 19.7., Samstag 25.7., Sonntag 26.7., jeweils um 14 Uhr.,
Mittwoch 22.7 Abendführung, 19 Uhr
öffnungszeiten: Mo-Fr. 16–20 Uhr und Sa + So. 11–20 Uhr
Dauer der Ausstellung: 19. bis 26. Juli 2009
Informationen zu Künstlern:
Eberhard Havekost (1967) und Dürers “Maria auf der Rasenbank” (1503)
Die Arbeiten von Havekost sind in der Kunstszene eine Sensation und treffen das Thema der Ausstellung “Der Hintergrund als Vordergrund”. Auf der Ausstellung wird sein Zyklus “Jungle” (2008) mit Naturmotiven in Dürers “Maria auf der Rasenbank” konfrontiert.
A.R. Penck (*1939) und Dürers “Vier nackte Weiber”, (1497)
A.R. Penck, eines der prägenden Künstlerpersönlichkeiten der Generation Gerhard Richter, Markus Lüpertz und Baselitz, ist wohl am bekanntesten für seine “Strichmännchen” Bilder. In Vis-à-vis werden wenig bekannte Aktbilder gezeigt und Aktstudien in Dürers “Vier nackte Weiber” gegenübergestellt.
Alexander Ewgraf (*1961) und Dürers “Ritter, Tod und Teufel”, (1513)
Alexander Ewgraf , Sibirisch-deutscher Künstler, hat die Ausstellungsreihe Vis-à-vis ins Leben gerufen. Ewgraf konzipiert radikal minimalistischen Raumkörpern. Für die diesjährige Ausstellung erarbeite er eine raumfüllende Installation, ein Labyrinth aus dem es auch für Dürers “Ritter, Tod und Teufel” kein Entrinnen gibt.
Karl Witti (*1947) und Dürers “Hieronymus im Gehäus”, (1514)
Karl Witti ist ein bedeutender Zeichner, Kunst- und Theatermaler, bekannt u.a. durch Arbeiten für die Passionsspiele in Oberammergau. Seine zeichnerischen Werkzyklen kombinieren Natur- und Bildnisstudien mit historischen Themen in einer atemberaubenden Virtuosität. Der schlafende Löwe zu Füßen des Eremiten in Dürers Kupferstich taucht schon seit den 1990er Jahren als Motiv in seinen Arbeiten auf.
Tobias Krug (*1972) und Dürers “Melancholia”, (1514)
Tobias Krug ist bekannt für seine multimedialen Raum-Zeitvertonungen und komplexen Werkreihen aus dem Material Glas. Krug setzt sich mit dem magischen Zahlenquadrat in Dürers “Melancholia” auseinander und entwickelte ein Schema, welches astronomische Farbmischungen berechnet.
Ausstellungsort und Sehenswürdigkeiten:
Der Dorfplatz in Eresing, wo sich die Ausstellungsorte Vis-à-vis befinden, bildet ein kostbares Ensemble gewachsener bayrischer Dorfarchitektur. Im Osten steht auf einer kleinen Erhebung die Pfarrkirche St. Ulrich mit Eingang zu einer Unterkapelle. Sie wurde Mitte des 18.Jh von Dominikus Zimmermann im Stil eines musikalisch-heiteren Rokoko umgestaltet. Das Deckenfresko von Franz Martin Kuen welches die Schlacht auf dem Lechfeld zeigt ,ist vielen als Illustration aus Geschichtsbüchern bekannt. Südlich der Kirche steht das alte Pfarrhaus mit romantischen Erkern. m alten Wirt (Baujahr 1638) kann der Besucher eine Erfrischung zu sich nehmen und danach über die sanfthügeligeL andschaft nach dem Benediktiner Kloster St. Ottilien wandern (30 Gehminuten), den herrlichem Alpenblick genieß, eine Storchenfamilie auf einem stillgelegten Schornstein beobachten und die völkerkundlichen Sammlungen im Missionsmuseum bewundern.
Das Vis-à-vis Team:
Christian Burchard (Kurator), Alexander Ewgraf (Künstler), Tobias Krug (Künstler), Karl Witti (Künstler), Evelyn Moutier (Pressearbeit), Franz Paula (Grafikdesign), Pila Sippel-Witti (Mitarbeiterin). Die Initiativgruppe Vis-à-vis bemüht sich Gegenwartskunst mit höchstem Anspruch im dörflichen Raum auszustellen.
Auf Wikipedia zu recherchieren.
Persönliche Websites der Künstler:
Tobias Krug (www.tobiaskrug.de)
Alexander Ewgraf (www.ewgraf.com)
Karl Witti (www.karl-witti.de)
Danksagungen:
Die Ausstellung wird unterstützt durch die Bezirksregierung Oberbayern, die Gemeinde Eresing, Bürger und Unternehmen aus Eresing und Umgebung. Besonderer Dank geht an Matthias Kunz und Galerie Sabine Knust, München, für die Leihgaben der Arbeiten von A.R. Penck und Eberhard Havekost, an das Auktionshaus Karl & Faber, München, für die Leihgaben von Originalgraphiken von Albrecht Dürer, an die Galerie Karl Pfefferle, München, für Bilderrahmen und die Photothek der Staatlichen Graphischen Sammlung München für digitale Dateien von Dürerstichen.
Magische Würfel aus Melancholia
Von Birgit Kremer
Eresing: Zu einer ungewöhnlichen Ausstellungseröffnung haben die drei Künstler Alexander Ewgraf, Tobias Krug und Karl Witti sowie der Kurator des Teams, Christian Burchard am vergangenen Samstag in das Eresinger Atelier von Ewgraf eingeladen. Im Rahmen der Ausstellungsreihe „Vis-à-Vis“, die jeden Sommer in Eresing für die Dauer einer Woche stattfindet, präsentieren sie noch bis zum 26. Juli unter dem Titel „Der Hintergrund als Vordergrund – Die Faszination des Details“ ein gemeinsames Projekt, zu dem, wie schon zuvor, Künstler, die in der Kunstgeschichte bereits einen festen Platz haben, eingeladen wurden: Altmeister Albrecht Dürer und die beiden bedeutenden Gegenwartskünstler Eberhard Havekost und A. R. Penck.
Dr. Thomas Goppel, der die Ausstellung eröffnete, betonte den „einmaligen Charakter des Projekts“, der jedoch nur erfasst werden könne, wenn man sich als Betrachter darauf einlasse. „In diesen Räumen sind fünf Antworten auf Dürer zu sehen“, sagte Goppel, und bezeichnete „Kunstausstellungen als Antworten auf Situationen, denen der Betrachter wiederum eine eigene Antwort hinzufügt.“
Eigenwillige Bezüge zwischen der Kunst
Zentrales Motiv der Ausstellung ist die Gegenüberstellung von Werken der fünf zeitgenössischen Künstler Havekost, Penck, Ewgraf, Krug und Witti und vergrößerten Details aus dem Hintergrund von Kupferstichen Dürers. Den Anstoß dazu gaben Dürer-Zitate, die Karl Witti seit den 1990er Jahren in seine zeichnerischen Werkzyklen aufnahm und interpretierte. Alle fünf Künstler führen einen höchst individuellen Dialog mit den Meisterwerken der Kupferstichkunst des Nürnberger Malers und Stechers und stellen so eigenwillige Bezüge zwischen der Kunst der Renaissance und der Moderne her. Auf diese Weise entsteht eine wortlose Kommunikation der Bildwerke, die von ihren ähnlichkeiten und Widersprüchen lebt und dem Besucher viel Freiraum bietet, eigene Assoziationen herzustellen.
Gleich im ersten Raum treffen wenig bekannte Aktbilder A. R. Pencks auf Dürers „Vier nackte Weiber“ aus dem Jahr 1497. Neben der gelungenen Konfrontation von altmeisterlicher Kunst und Moderne erlaubt diese Konstellation auch eine vergleichende Studie der Aktmalerei einst und jetzt, was dem Besucher einen unbefangenen Zugang zur Gegenwartskunst ermöglicht. In der gegenüberliegenden Raumhälfte setzt sich Karl Witti in seinen Zeichnungen mit Dürers Kupferstichen „Hieronymus im Gehäus“ und „Flucht nach ägypten“ auseinander. Die Verlorenheit seines in einem „postindustriellen Arkadien“ stehenden Hieronymus wird durch die verdichteten Flächen einer fast fotorealistischen Wiedergabe der Landschaftselemente nur scheinbar gebrochen.
Glasobjekte mit faszinierender Leuchtkraft
Im Obergeschoss hat der Mathematiker, Informatiker und Glas- und Multimediakünstler Tobias Krug den magischen Würfel aus Dürers „Melancholia“ zum Ausgangspunkt seines künstlerischen Zwiegesprächs gewählt und in eine graphische Projektion umgesetzt. Erstaunlich ist ein weiterer Werkzyklus, in dem aus den Geburtsdaten der fünf Künstler und der zugehörigen Planetenkonstellationen ein Farbmuster errechnet wurde. In einem weiteren Arbeitsgang wurden diese Farbmuster in Glasobjekte von faszinierender Leuchtkraft transformiert. Ebenfalls im Obergeschoss treffen die subtil gebrochenen Oberflächen von Eberhard Havekosts dreiteiligem Zyklus „Jungle“ aus dem Jahr 2008 auf die rund fünfhundert Jahre früher entstandene „Maria auf der Rasenbank“ von Dürer. Die reduzierten, auf ihre formalen Strukturen zurückgeführten Palmwedel Havekosts scheinen den gewählten Detailausschnitt aus Dürers Kupferstich direkt zu projizieren.
Alexander Ewgraf schließlich, der für seine radikal minimalistischen Raumkörper bekannte Installationskünstler, setzt Dürers „Ritter, Tod und Teufel“ aus dem Jahr 1513 eine raumfüllende, polychrome Installation entgegen, deren labyrinthische Anlage und schier explodierende Farbigkeit kein Entkommen mehr zulässt.
Von Ewgraf stammt auch die in der nur wenige Schritte vom Atelier entfernten Alten Schule montierte Rauminstallation, die mit den Sehgewohnheiten des Besuchers spielt. In einem „Schwarzraum“, einem ganz mit schwarzer Folie ausgekleideten Saal, entwickeln seine aus mit Papier ummantelten und weiß grundierten Kunststoffrohren gestalteten Raumobjekte ein Eigenleben. Plötzlich erscheint Weiß in allen Schattierungen bis hin zu Dunkelgrau, die abstrakten Linien fordern den Besucher eindrücklich auf, dem Gesehenen eine eigene Antwort entgegenzustellen und Position innerhalb des Raums zu beziehen.
Eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem so bedeutenden Künstler der Kunstgeschichte wie Dürer bedeutet immer auch ein Wagnis.
Ein Glück für die zahlreichen Besucher der Ausstellungseröffnung, dass die Eresinger Künstler um Ewgraf dieses Wagnis eingegangen sind, denn ihre kongenialen Antworten laden auf eine Entdeckungsreise in die Kunst der Renaissance und Moderne ein!
Die Ausstellung im Atelier „Vis-à-Vis“, Kirchstraße 4, 86922 Eresing, dauert vom 19. bis zum 26. Juli. Unkonventionelle Führungen, bei denen die Besucher aktiv beteiligt werden, finden am Samstag, 25., und Sonntag, 26. Juli, jeweils um 14 Uhr statt; zusätzlich wird am Mittwoch, 22. Juli, um 19 Uhr eine Abendführung angeboten. Unter dem Titel „Kleider machen Leute – Dürer und seine Selbstporträts“ hält der Dürer-Experte Dr. Philipp Zitzelsberger am Samstag, 25. Juli um 19 Uhr einen Vortrag. Öffnungszeiten sind von Montag bis Freitag 16 bis 20 Uhr Samstag und Sonntag von 11 bis 20 Uhr.