An dieser Stelle erwartet man vom Künstler überzeugende Daten wie z. B.: Wo und bei wem hat er studiert oder war er Meisterschüler. Mit wem und wo hat er ausgestellt. Welche Preise hat er entgegengenommen.
So, versucht man auch an dieser Stelle um aus dem Schatten endlich heraus zu kommen, von der drängenden Masse sich ab zu heben und rutscht in die Angeberei hinein, erzählt, wo man schon ausgestellt hat, wer über einen geschrieben hat, mit wem und wo man ein Gläschen Champagner getrunken hat, welche Türen einem geöffnet wurden u.s.w. Doch man sieht nur die im Licht. Die im Schatten sieht man nicht…
Ich breche die Regel. Was wäre mit einer Geschichte oder Beichte statt CV? Mir pesönlich ist die Beichte lieber…
Liebe Leser, auch ich habe gesündigt und war eine Weile verblendet von der Vorstellung ein trockenes Plätzchen im Sonnenlicht ergattern zu können. Dabei dachte ich, das Glück eines Künstlers läge in der Anerkennung seiner Leistung.
Ich stieg sogar ein paar Schritte weiter hinab, in dem ich mich selbst nur dann anerkennen wollte, wenn die Welt mich erst anerkannt haben würde. In dieser Zeit habe ich meinen Lebenslauf unermüdlich poliert und geschliffen und immer und wieder zu Gunsten meiner CV gehandelt, um Punkte und Gewicht in der Kunstszene zu sammeln.
Meine Jagd nach Anerkennung könnte man mit dem Versuch, Durst mit Meereswasser zu stillen, vergleichen. Die Anerkennung war da, aber ich misstraute der Zuwendung und machte damit meinen Durst noch größer. So “ging der Krug zum Brunnen bis er eines Tages brach“. Depression wurde mein treuer Begleiter, meinen aufdringlichen Zynismus konnte ich selbst kaum ertragen. Am schlimmsten aber war für mich mein Hass der Kunst selbst gegenüber.
Ich war in einer Sackgasse. In mein Haus kam eine lähmende Gleichgültigkeit, keine Weite, nur Betonmauer! Ich empfand mich wie ein Toter, nur mein Herz schlug mechanisch weiter. Gerade aus ging es nicht mehr. Mein selbstzerstörerisches Lebenskonzept war nicht aufgegangen, ohnmächtig war ich nicht fähig, meinem Elend ein Ende zu setzen.
Auf der Suche nach einem Ausweg musste ich mich selbst in Frage stellen, mein komplettes Selbst unter die Lupe nehmen, um zu verstehen, warum mein Wesen pleite ist. Erste Ergebnisse meiner Suche zeigten mir die Kurzschlussstellen in meinem Lebenskonzept, die viel Energie kosteten. Dazu gehörte auch die zwanghafte Jagd nach Zuwendung meiner Umwelt durch Leistung. Ohne verstanden zu haben, wie man sich selbst liebt, forderte ich Liebe von den anderen. Das war meiner erster Irrtum, zu glauben, dass es so sein muss und nicht anders.
Eins nach dem anderen kamen auch die Erkenntnisse, die nur mit dem Gefühl des Erwachens zu vergleichen sind. Ich habe es aufgegeben, Wert auf die „Verpackung“ zu legen (CV ist nichts anderes als dies). Ich habe aufgehört mich darum zu kümmern, wie ich bei den Zuschauern ankomme, ich lege keinen Wert mehr auf das Etablissement in dieser Gesellschafft. Die Titel jeden Grades, die Nominierungen und Auszeichnungen sind mir egal geworden. Das Angebot einer Professur würde mich eher scheuen als verlocken.
Sehr lange habe ich im meinem Leben einige Schulbänke gedrückt, nun muss ich mit 50 erkennen, dass ich doch zu wenig für das Leben gelernt habe, aber die Krise meines Lebens wurde mir als bestandene Aufnahmeprüfung für eine neue Schule angerechnet. Ab jetzt gehöre ich auf eine andere Schulbank und ich habe endlich das Gefühl, dass diese Bank zu meinem Arsch passt.
Ewgraf